Es war schon dunkel als es an Elethiel's Türe laut und bestimmt klopfte. Der Mond schien durch das - wegen der Hitze - halb offene Fenster. Er stand noch sehr niedrig, weswegen es noch nicht so spät sein konnte. Aber es war dennoch spät genug, dass eine so eindringliche Ruhestörung ungewöhnlich war.
Elethiel schreckte auf, das Klopfen hatte sie unsanft aus dem Halbschlaf gerissen. "Einen Moment bitte!" murmelte sie schlaftrunken in Richtung der Tür. Wer konnte um diese Zeit noch etwas von ihr wollen? War etwas passiert? Im hellen Mondlicht zog sie sich rasch ihren Morgenmantel an und öffnete beunruhigt die Tür.
Vor der Türe stand ein junger Elb - ein Adept der Geisteskünste wie es schien - mit einem Schreiben in der Hand. "Mae govannen. Die Tirn des Geistes baten mich dir umgehend dieses Schreiben zu bringen, Schwester." mit diesen Worten reichte er ihr einen versiegelten Pergamentbogen.
"Danke, ich werde es mir sofort ansehen. Wenn du auf Antwort warten sollst komm ruhig herein." Elethiel ging zurück ins Zimmer und zündete einige Kerzen des silbernen Leuchters an, der auf einem schmalen Schreibtisch stand. Ihre Kleider die auf dem einzigen Stuhl lagen warf sie achtlos auf ihr Bett um Platz zu schaffen.
Ohne den Boten weiter zu beachten zerbrach sie das Siegel, entfaltete das Pergament und begann zu lesen.
Nachdenklich faltete die Elbe die Nachricht wieder zusammen. "Es ist alles in Ordnung Bruder, vielen Dank dass du gewartet hast. Du kannst gehen, ich werde mich selbst um die Angelegenheit kümmern." wandte sie sich an den Boten.
Kaum hatte dieser den Raum verlassen betätigte Elethiel einen verborgenen Mechanismus auf der Rückseite des Schreibtisches und eine Schublade öffnete sich. Sie legte das Pergament hinein und verschloss das Fach wieder.
Unruhig ging sie im Zimmer auf und ab. Selbstverständlich musste die Angelegenheit zügig genauer untersucht werden, aber warum hatte man ihr die Nachricht um diese Uhrzeit zukommen lassen? Zu dieser nachtschlafenden Stunde ließ sich kaum etwas unternehmen. Die Bibliotheken waren verlassen, die Oberen wollte sie des Nachts nicht belästigen, der Brief äußerte sich nicht zum weiteren Vorgehen. Allerdings musste wohl irgendjemand in den Hallen des Ordens noch bei der Arbeit sein, sonst hätte sie der Brief erst am nächsten Morgen erreicht...Schlaf würde sie in dieser Nacht wohl sowieso nicht mehr finden, dazu waren die Informationen zu ungewöhnlich. Ob sie die nächsten Stunden nun wachend und grübelnd damit verbringen würde den Lauf des Mondes an ihrem Fenster zu verfolgen oder ob sie gleich aufstand war einerlei.
Sie durchsuchte den Kleiderhaufen auf ihrem Bett, griff sich das erstbeste Kleid und zog sich rasch an. Trotz der Hitze und der späten Stunde wollte sie nun wirklich nicht im Morgenmantel durch das Ordenshaus irren. Bevor sie die Kerzen löschte suchte sie noch einige möglicherweise sinnvolle Abschriften aus ihrem Regal. Dann verließ sie ihr Zimmer und machte sich auf den Weg. Wohin? Nun, im Zweifelsfall war die Bibliothek immer die richtige Anlaufstelle. Zunächst allerdings wollte Elethiel ausfindig machen ob die Wächterin Galithila noch wach war. Und vieleicht konnte sie auch Sayrin noch erreichen, ein Gespräch mit ihr sollte sicherlich hilfreich sein.
Also bog sie vom Trakt der Privaträume aus ab in den Säulengang, der sowohl zum Haupthaus führte, als auch den Blick auf die vom Mondlicht erhellten Gärten frei ließ.
Des Nachts ist es friedlich still in de Gärten des Ordens. Die Grillen zirpen im Sommer, die Frösche im Teich verantalten ihr Konzert. Laternen erhellen die Wege und hin und wieder sieht man einzelne Gestalten in Ein- oder auch Zweisamkeit auf dem taufrischen Gras sitzen und die Sterne beobachten. So war es fast immer. Heute aber bemerkte Elethiel etwas merkwürdiges als sie in den Kreuzgang einbog. Licht in der Mitte des Gartens um das mehrere Schatten versammelt standen. EInige saßen, die meisten standen. Mit einen weiteren Blick erkannte die Elbe außerdem, dass in den Fenstern der Halle des Geistes noch Licht heraus schien. Nein, heute war die Nacht - zwar friedlich - aber nicht ruhig.
Elethiel erblickte die Gruppe. Diese Nacht schien eine ganze Menge Ordensmitglieder wach zu halten. Im Park war ja fast mehr Betrieb als am hellichten Tag...die versammelten Elben schienen mit etwas beschäftigt zu sein.
Um nicht zu stören widerstand Elethiel dem Drang sich ihnen zu nähern um herauszufinden was vor sich ging. Doch der Brief den sie erhalten hatte erschien ihr wichtiger und das Licht aus den Hallen des Geistes schien ihr Recht zu geben, man war noch an der Arbeit.
Sie eilte auf den Eingang der Halle zu und öffnete die schweren, reich verzierten Holztüren zum Saal.
Das Tor war nur angelehnt. In den Hallen selber saß eine Elbe im Kreis der Meditation im Schneidersitz. Die Augen geschlossen, den Kopf gerade. Als Elethiel eintrat öffnete sie die Augen. "Ich war mir nicht sicher ob du sofort hier her kommen würdest, Schwester." Mit einer freundlichen Geste lud Galithila sie dazu ein sich zu ihr zu gesellen.
"Sei gegrüßt, Schwester!" Elethiel begab sich zu ihr und setzte sich. "Selbstverständlich wollte ich mich sofort erkundigen wie es in der Sache steht."
Ohne Galithila nochmals zu stören erhob sich Elethiel und verließ langsam, fast widerwillig, den Saal. Draußen im Garten umfing sie die laue Nachtluft. Sie atmete tief durch. Auf der Wiese in einiger Entfernung stand noch immer die Gruppe von Elben. Diesen näherte sie sich nun, sie brauchte etwas Ablenkung von ihren Gedanken.
Elethiel schritt an einer Hecke vorbei und näherte sich der Gruppe. Bevor sie in den Lichtschein der Laternen trat erkannte sie wer da stand. Berion's Miene war ernst, die Stirn in Falten gelegt. Der oberste Tirn der Tirith Edhil hörte nachdenklich den Worten der Elbe ihm gegenüber zu. Elethiel war noch zu weit weg um die Worte verstehen zu können, dennoch erkannte sie die Elbenfrau. Wer kannte sie nicht. schließlich handelte es sich hierbei um jene Frau die über Jahrhunderte den Elbenbund vorgestanden hatte. Larissa. Oberste Priesterin der Sehanine, Ratsherrin des Elbenbundes, Urenkelin Niviam's. Um die beiden verteilt standen mehrere Mitglieder des Ordens als auch der Priesterschaft. Noch hatte niemand Elethiel bemerkt.
Verwundert blieb die Elbe stehen. Was konnte passiert sein, dass die Obersten des Ordens zu einer nächtlichen Beratung zusammengerufen worden waren? Hatte es etwas mit den Nachrichten in dem Brief zu tun den sie erhalten hatte?
Elethiel näherte sich der Gruppe weiter. Sie machte nicht extra auf sich aufmerksam um nicht zu stören, gab sich jedoch auch keine besondere Mühe sich vor den Anwesenden zu verbergen um nicht den Eindruck zu erwecken sie wolle lauschen. Eine wirklich vertrauliche Beratung hätte wohl kaum mitten in den Gärten stattgefunden, dachte sie bei sich.
Berion's Blick richtete sich auf Sayrin, mehrere Elben drehten sich um, auch Larissa. Sie sah Elethiel an, lächelte, nickte und wandte sich wieder dem obersten Tirn zu. "Ich wünsche dir eine geruhsame Nacht, Bruder." Dann wandte sie sich ab und verließ zusammen mit den anderen Priestern den Garten. Berion blickte ihr kurz nach, dann wandte er sich Elethiel zu. "Mae govannen, Schwester. Du bist zu so später Stunde nach am studieren?"
Elethiel neigte ihren Kopf vor Berion und antwortete: "Mae govannen! Nun, studieren kann man es nicht gerade nennen, ich hatte eine dringende Nachricht erhalten und bin ihr gefolgt soweit es zu dieser Stunde möglich ist. Mir scheint diese Nacht lässt auch meine Brüder und Schwestern kaum ruhen. Geht etwas vor sich, was die gesteigerte Aufmerksamkeit des Ordens verlangt?"